Liebe Hannah!
Berichtt 04 –
09. Dezember 2015
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Im Backrohr schmurgelt das weihnachtliche Früchtebrot, das wir in Tirol einen Zelten nennen. Wiederkehrende Dinge beruhigen die Menschen, denn sie lieben Rituale und Jahreszeiten.
Aber Wiederkehr ist Illusion. Und an Vertrautem zu hängen, unsere Schwäche.
Unsere nahe Umwelt ist im vergangenen Jahr eine andere geworden. Die Probleme der verdrängten Teile der Welt dringen langsam aber unaufhaltsam in unsere wohlgenährte Gesellschaft ein.
Und alles Erinnerte bekommt neuen Glanz.
Helfen ist gut, aber befreit nicht von der Schuld, die wir durch unsere ökonomischen Strukturen angesammelt haben. Ein Gewehr für die Jagd setzt Waffenexporte voraus.
Das bevorzugte Hühnerfilet am Teller verlangt, dass die Reste nach Afrika reisen.
Wir wissen das alles längst. Sofern wir wissen wollen.
Hannah Arendt sagte: Es gibt keine kollektive Schuld. Denn gäbe es diese, so könnte man keine Einzelperson zur Verantwortung rufen.
Aber sie sagte auch – und das scheint mir entscheidend: Doch es gibt kollektive Verantwortung. Und der kommen auch wir nicht aus.
Was wir momentan erleben, ist nicht mehr als die Rechnung.
Die Rechnung für das, was wir bestellten und konsumierten.
Wehleidigkeit ist deplatziert.
Jugend mit im Boot. Wie in der letzten Generation.
Wenn auch mit neuer Schuld.
Das eben war die Klugheit und Voraussicht von Hannah Arendt.