Wien-Tirol-New York 02 – Veränderung in XXL

Maria Peters, 21. Mai 2017

Sommerhitze.
Dreißig Grad und mehr.
Ideale Bedingungen, um das Alltagsleben in den Straßen zu studieren. Die zahlreichen „public places“ laden zum Verweilen ein, die Menschen sind freundlich und rücksichtsvoll.

Zuerst das „Museum of American Indian“. Einige der Gegenstände berühren mich tief, sie erinnern mich an meine ganz frühe Bildhauerzeit als ich 14 oder 15 war, als ich mich mit der Kultur der Indianer beschäftigte. Das Gespräch mit der Natur suchte, pflegte, vertiefte. Hier, nahe der Wall-Street, finde ich es überraschend wieder.

Mittagsrast am Ufer des Flusses, gemeinsam mit den meist ernsten Büroangestellten der Wall-Street. Ihre Vorgesetzten gehen in die Restaurants, bzw. stehen vor den In-Lokalen in der Schlange, um gesehen zu werden, so scheint es zumindest.

Kunstwege.
Im Metropolitan Museum eine weitere Wiederbegegnung – Zeichnungen von Seurat. Eine Sonderausstellung thematisiert den Zirkus als Thema in seiner Arbeit und in Arbeiten von Zeitgenossen. Ich denke an meine Vorgängerin, an Lora/Nachfolgerin 07, die hier in New York lebte, die am Balto-Denkmal im Central Park unsere Persönlichkeit übertragen bekam. Und die später einige Jahre mit einem Zirkus in Europa unterwegs war. Ihre Geschichte muss bald erzählt werden, sie klärt sich hier in dieser Stadt.

Ölbild von Jean Louis Forain

Zeichnung von Seurat

Blick über den Central Park vom Dachgarten des Metropolitan Museum

Baltodenkmal im Central Park

Zeichnen beim Balto Denkmal

 

 

Galerienviertel in Chelsea, New Museum, Highline. Ich begreife das Wort Gentrifizierung neu, denn diese läuft hier in einer Geschwindigkeit und Größenordnung ab, die mich als Beobachterin atemlos zurück lässt. Ich werfe meinen Blick auf diesen Ort, doch es wäre müßig über ihn zu schreiben, denn er löst sich schon während des ersten Anblicks wieder auf.

Chelsea, Blick von der Highline

Das Kapital sucht lebendige Orte, Viertel, die langsam gewachsen sind, noch etwas chaotisch wirken, Ziegelbauten, alte Industriearchitekturen. Dann kommen die großen Galerien, dann die Restaurants, dann die Investoren, Wolkenkratzer, Hochglanzgebäude, Yogastudios. Kleinere Galerien und Kreative folgen nach – in der Hoffnung entdeckt oder mit ernährt zu werden. Die normalen Menschen ziehen fort, die Viertel sind nun zu teuer, mit ihnen verschwindet das Leben. Die großen Galerien und die Investoren suchen das nächste noch lebendige Viertel.

In Lower East Side zum Beispiel, im Reiseführer noch als eben entstehende Szene beschrieben, sind die zwei größten Galerien schon wieder weiter gezogen.

 

 

China Town scheint die Ausnahme zu sein. Dort ist es lebendig und hier gibt es keine großen Investoren. China Town wächst. Little Italy besteht nur mehr aus einer einzigen Straße. Ist nur mehr Erinnerung.
Es wird gnadenlos von China Town überwuchert. Und China Town wächst weiter in Richtung Wall-Street und Lower East Side. Das Essen in den einfachen, nur von Chinesen frequentierten, mit Neonlicht ausgeleuchteten Lokalen ist vortrefflich. Es ist chinesisch, ohne Kompromisse.

 

Unser Hotel Pennsylvania liegt direkt am Madison Square Garden. Es hat 17 Stockwerke und jedes Stockwerk dürfte etwa 100 Zimmer haben. Und doch ist es gemütlich. In der Nacht öffnen wir das Fenster, lassen das Rauschen der Stadt über uns fließen.

Im Vordergrund rechts: Das Hotel Pennsylvania

Das Empire State Building und der Times Square sind ums Eck. Es ist ein dynamisches Viertel. In den Morgen- und Abendstunden rennen die Leute durch die Straßen, die U-Bahnen sind dann unerträglich voll. Auf der Straße und an den Bahnsteigen ist es hier dermaßen laut, dass man Gefahr läuft, jegliche Orientierung zu verlieren. Zum ersten Mal verstehe ich, warum so viele Menschen hier Kopfhörer tragen. Aber doch merke ich bereits nach diesen wenigen Tagen, dass man sich an den Lärm gewöhnt. Wie der Mensch sich eben an alles gewöhnt. Alles okkupiert. Alles verbaut. Alles vermüllt. Man isst hier, außer man hat viel Geld, ausschließlich aus Plastikgeschirr. Mein deshalb unvermeidlich persönlich produzierter täglicher Müllberg hier in New York entspricht in etwa jenem von zwei bis drei Wochen daheim.

Diese Stadt ist schön und faszinierend.
Ich sehe sehr viel sehr neue Kunst. Viel gute Kunst.
Viele Elemente der 30iger Jahre tauchen in den aktuellen Arbeiten auf. Ich sehe Surrealismus, psychedelische Abstraktion, Hyronimus Bosch, Max Ernst, Kubin.

Ich suche weiter viel neue Kunst. Ich finde Erinnerungen, man ist hier nicht fremd. Man sinkt hier ein, wird aufgesogen. Aber auch auf sich zurück geworfen.
Man ist hier,
inmitten dieser Vielfalt,
bloß nur mehr, wer man ist.

 

 



Maria Peters, 21. Mai 2017


8 Kommentare

  • lapa sagt:

    Grossartig ich freue mich über deine Begeisterung. Papa

  • lapa sagt:

    Grossartig ich freue mich über deine Begeisterung. Papa

  • christine kostenzer sagt:

    Hallo Maria!
    Eine wunderbare und sehr liebevolle
    Beschreibung dieser phantastischen Stadt, die ich mit Genuss gelesen habe!
    Besonders schön fand ich das Foto von dir beim Balto beim Zeichnen!
    Passt einfach!
    Dein NYC Aufenthalt macht mir wieder Lust auf diesen alten u bunten Moloch,
    Wo alle Kulturen u Religionen so wunderbar zusammenleben!

  • pw/rum sagt:

    ein Servus nach NYC, hallo Maria, schön dich dort kunstsaugend, zeichnend, schreibend, fff-fast food futternd, Gesehenes registrierend und uns deine Sehweisen mitteilend, usw., zu wissen.
    weiter so, freue mich auf 03, 04, 05…….
    bei deinen schönen Beschreibungen und Fotografien u.a. fiel mir auch gleich gegenteiliges ein, nämlich Raimund Abraham´s (selig) wundervoller Sager:
    „In meiner Wohngegend hier in New York City fühle ich mich wie in einem kleinen Dorf. Alles was ich zum Leben brauche ist zu Fuß in fünf Minuten erreichbar!“
    lass´ es dir gut gehen, gesund bleiben und pass gut auf dich auf!
    Schau mal ob dir Edith Lettner (A) und Ingrid Laubrock (D)in der Google-Kugel unterkommen. Beide Damen sind begnadete Saxofonistinnen mit besten Jazz-Szenekenntnissen vor Ort. Schreib sie mit Grüßen von mir an, trefft euch auf a Seidl und a Paar Frankfurter mit Ragout beim Würstlstand in der Wall St. – Und Peter Evans sollte auch Dabeisein! naja…..;-)
    glg pw/rum

  • Helmut Schiestl sagt:

    Schöner Text, schöne Bilder, die das Herz dieser Stadt gekonnt einfangen. Wünsche Dir noch viele erlebnisreiche Tage und spannende Begegnungen in dieser Megacity!

  • Maria Peters sagt:

    Danke für Eure Kommentare! Ja, eine tolle inspirierende Stadt. Leider nur mehr zwei Tage. Den nächsten Bericht dann wieder aus Wien.
    Liebe Grüße Maria

  • Andrea Haniger sagt:

    Jetzt wollte ich noch als besonderes Abenteuer den night court empfehlen, aber das ist eine besondere Kunst …. Habt eine feine Rückreise! Viele Grüße, Andrea

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